09.04.2022 – 07.05.2022 – uncanny ally – Eric Beier, Steven Solbrig und Dirk Sorge

uncanny ally
Eine Ausstellung von Eric Beier, Steven Solbrig und Dirk Sorge

Ausstellungsdauer: 9. April – 07. Mai 2022

Eröffnung: Freitag, 8. April 2022, 18:30 Uhr

Künstler:innengespräch: 8. April 2022, 19:30 Uhr
mit Matthias Franke (Kunsthistoriker, Referent des SIK)

Wenn Roboter:innen und künstliche Intelligenzen sinnvoll mit Menschen interagieren sollen, müssen sie von diesen akzeptiert werden. Dafür ist es hilfreich, wenn sie sich im Aussehen und Verhalten dem Menschen annähern. Ab einem bestimmten Punkt der Ähnlichkeit kippt das Verhältnis allerdings: Die zu starke Menschenähnlichkeit wird von eben jenen Menschen plötzlich als unheimlich empfunden. Die Roboter:innen werden als unechte Menschen wahrgenommen und nicht mehr nur als leblose Maschinen. Die künstliche Intelligenz wird als Algorithmus erkannt und abgelehnt, da sie den Erwartungen an echte Menschen nicht genügt. Dieses Phänomen des Akzeptanzverlustes bei steigender Ähnlichkeit bezeichnete der Robotikforscher Masahiro Mori im Jahr 1970 als ‚Uncanny Valley‘.

Die Ausstellung „uncanny ally“ wirft die Frage auf, ob behinderte Personen ebensolches Akzeptanzproblem erleben, da sie von Nichtbehinderten noch immer nicht als sogenannt „vollwertig“ anerkannt werden. So ist uns allen sicher noch die Bezeichnung des sogenannten „Invaliden‘‘ [sic] für eine behinderte Person geläufig, die genau das besagt. Je mehr Menschen mit Behinderung sich anpassen und versuchen, den Erwartungen der nichtbehinderten Mehrheitsgesellschaft zu entsprechen, desto mehr werden von dieser ihre Unterschiede und Abweichungen von der vermeintlichen Norm betont. So werden Personen mit Behinderung schnell zum „Anderen“ erklärt. Das Leben mit Behinderung scheint vor allem von Schwierigkeiten geprägt und damit nicht erstrebenswert. Behinderte Personen können schier vieles nicht und sind darum wenig zu beneiden. Die Vorstellung, „von einer Behinderung betroffen zu sein“ ist für viele eher unheimlich. Diesbezüglich fällt es schwer, sich mit der:dem Gegenüber zu assoziieren, fehlt doch die Möglichkeit des Vergleiches, von Überschneidungen der Lebensrealitäten. Unvorstellbar scheinen die Zugänge, unter denen wir ungezwungen miteinander kommunizieren und ein umfassendes Verständnis von einander empathisch annehmen können. Wir wissen vieles nicht über diese:n ganz „andere:n“. Bekanntlich schürt Unwissenheit nicht selten Ängste oder fühlt sich, wie in diesem Fall, bisweilen unheimlich an. Doch wie könnte dieses unheimliche Tal, das „Uncanny Valley“ überwunden werden? Wie können wir uns alle mehr eine Uncanny Ally sein?

Die beteiligten Künstler:innen beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Ähnlichkeit und Abweichung, sowie von Erwartung und Akzeptanz oder Technologie- und Problemlösungsästhetik.

In der Ausstellung sind auch Besucher:innen ohne Behinderung ausdrücklich willkommen.

uncanny ally #1 – Dirk Sorge – Global Capture Conference

Für viele Kommunikationsprozesse ist es wichtig, zu wissen, ob ein:e Akteur:in menschlich ist, oder ein automatisiertes Programm oder Bot. Manchmal genügt es, durch ein Häkchen zu versichern: „I am not a robot.“ Aber manchmal sind die sogenannten CAPTCHAs aufwendiger. Es müssen Objekte auf Bildern erkannt werden, mathematische Aufgaben gelöst werden oder schlecht lesbare Texte entziffert werden. Der Turing-Test wird hier umgekehrt und der Mensch muss der Maschine beweisen, dass er ein Mensch ist. Und dabei trainiert er gleichzeitig die Maschine. Menschen mit Behinderung werden systematisch ausgeschlossen, wenn ihnen bestimmte Fähigkeiten fehlen. Assistenzsoftware kann dabei helfen, die CAPTCHAs dennoch zu lösen. Gleichzeitig rüsten auch die Bots weiter auf und versuchen, die CAPTCHAs ganz ohne menschliche Beteiligung zu umgehen. Wir sind mitten in der technischen Eskalation und können uns zurücklehnen und dabei zuschauen, wie Programme untereinander verhandeln, was es heißt, ein Mensch zu sein.

Dirk Sorge arbeitet als Künstler und Kulturvermittler in Sachsen und Berlin. Er studierte Bildende Kunst und Philosophie und beschäftigt sich mit den Themen Normierung, Technisierung und Inklusion. Seine Arbeiten umfassen Videos, Installationen, Performances und Computerprogramme. Häufig wird das Publikum direkt involviert oder das Konzept der Autor:innenschaft hinterfragt.
www.dirksorge.de

uncanny ally #2 – Steven Solbrig – Unmachted Touch

Ein Leben mit einer (wenig sichtbaren) Behinderung ist oftmals ein On/Off. Es gleicht einem Balanceakt zwischen 0 und 1, des (innerlichen) Versteckens oder des Vorwurfs der Zurschaustellung, zwischen Nähe und Distanz, letztlich jedoch immer je nach Laune vermeintlich nichtbehinderter Natur. In der mixed media art Serie „unmachted touch“ sucht Steven Solbrig nach dem Begehren, der Sehnsucht nach und den Bewegungen von Berührungen in den Zwischenräumen gesellschaftlicher Binarität. Schließlich sind Berührungen existenziell für jedes menschliche Leben. Ohne Berührungen droht letztlich der Gips abzufallen, drohen wir in-/auseinander zufallen, unsichtbar zu werden, oder nicht?

Steven Solbrig weiß, genderfluid mit Behinderung, wuchs in der ehemaligen DDR auf. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Steven kulturpolitisch zur Post Development Theory, zu Faschismus, Rassismus, Sexismus sowie zu Ableismus. Solbrig fotografiert, moderiert, schreibt, spricht und performt freiberuflich u.a. zur Sichtbarkeit von (Kunst und) Behinderung und dies mit aktivistischer Haltung. Derzeit lehrt Steven an der Stiftungsuniversität Hildesheim u.a. zu Kunst und Behinderung aus der Sicht der Disability Studies sowie zu den sogenannten „aesthetics of access“. Infos unter: www.stevensolbrig.de

uncanny ally #3 – Eric Beier – Misprint / Häftigt Ben

Das Bild von Behinderung, oder besser gesagt die Bilder von behinderten Menschen werden fast täglich von verschiedensten Medien verbreitet. Egal, ob von ihnen selbst oder von dritten. Dabei ist kaum zu übersehen, dass es meist weniger um die Menschen selbst geht. Es geht vielmehr um ihre Körper. Es geht darum, mit welchen Herausforderungen sie aufgrund ihrer Behinderung sich gegenüber sehen oder welche außergewöhnliche Leistung ihr Leben, angesichts einer Behinderung darstellt. Das mag mit den besten Absichten geschehen, überhöht aber die Behinderung und schafft damit das „Andere“ im Gegenüber, das „Andere“, das aufgrund einer Behinderung, in welcher Form auch immer, in diesem Menschen gesehen wird. So reproduziert sich fast wie von selbst ein ungewöhnlich stark eingefärbtes Bild, abhängig von besagtem Kontext und immer durch den Fokus auf die Behinderung. Es scheint fast immer unbedingt erwähnenswert, dass es sich bei einer Person, um einen Menschen mit Behinderung handelt, wenn er/sie mit einer solchen lebt. Vor allem dann, wenn es in die Funktion eines seiner Sinnesorgane oder in seine Anatomie eingeschrieben ist. Es wird dann alles womit er öffentlich in Erscheinung tritt, wie er seinen Lebensentwurf verwirklicht oder welche berufliche Laufbahn er einschlägt, mit seiner Behinderung in Verbindung gebracht. Doch was geschieht mit unserem Bild von Behinderung dabei? Und was macht das mit uns, wenn wir selbst davon betroffen sind? Auf welche Weise und warum sind diese Bilder unvollständig?

Eric Beier lebt und arbeitet in Dresden. Seit 2021 ist er Meisterschüler bei Prof. Christian Sery und Träger des sächsischen Landesstipentiums. 2020 realisierte er ein Kunst am Bau Projekt mit der CG Gruppe Er studierte bildendende Kunst an der HfBK Dresden. Seine Arbeiten umfassen verschiedenste Medien.